Provozierendes Anrauchen: Darf man sich gegen das Anblasen mit Zigarettenrauch ins Gesicht mit Notwehr verteidigen?
Nicht selten fühlen sich Nichtraucher belästigt, wenn Raucher sich trotz bestehenden Rauchverbots eine Zigarette anzünden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Raucher auf das Verbot hingewiesen werden. Wer dies tut kann jedoch mit einer trotzigen Reaktion der Raucher rechnen. Während die einen die Aufforderung vielleicht einfach nur ignorieren, kann sich so manch anderer provoziert fühlen und dem lästigen Nichtraucher Zigarettenqualm ins Gesicht blasen. So geschehen in einer Diskothek in Erfurt im Juni 2012. In dem Fall ließ sich das Opfer, eine Studentin, die Rauchattacke nicht gefallen und warf dem Raucher ein Glas an den Kopf. Dies hatte zur Folge, dass die Studentin wegen Körperverletzung angeklagt wurde. Diese empörte sich gegen die Anklage. Denn immerhin war sie der Meinung, dass man sich ein Anrauchen nicht gefallen lassen müsse und der Glaswurf vom Notwehrrecht gedeckt gewesen sei. Doch ist dies tatsächlich der Fall? Darf man sich in Notwehr verteidigen, wenn man von einem anderen Zigarettenrauch ins Gesicht geblasen bekommt?
Ist eine Verteidigung gegen das Anblasen von Zigarettenrauch ins Gesicht vom Notwehrrecht gedeckt?
Vom Notwehrrecht darf man gebrauch machen, wenn man einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich abwenden möchte (§ 32 StGB). Es kommt daher maßgeblich darauf an, ob das Anrauchen mit Zigarettenrauch einen rechtswidrigen Angriff darstellt. Das Amtsgericht Erfurt bejahte dies in dem Fall der Erfurter Studentin (Amtsgericht Erfurt, Urteil vom 18.09.2013, Az. 910 Js 1195/13 48 Ds). Es vertrat die Ansicht, dass ein solches Verhalten nicht nur eine Beleidigung (§ 185 StGB), sondern auch eine Körperverletzung (§ 223 StGB) darstellt. Begründet hat das Gericht dies mit einer Gesundheitsgefährdung, da der Zigarettenrauch krebserregende Stoffe enthalte und die in der Atemluft enthaltenen Spuckepartikel Bakterien und Viren aufweise.
Welche Verteidigungshandlungen sind erlaubt?
Zwar gilt beim Notwehrrecht der Grundsatz, das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen. Daher sind regelmäßig alle Verteidigungshandlungen erlaubt, die einen Angriff erfolgreich und am schnellsten beenden. Dennoch ist zu beachten, dass von mehreren zur Verfügung stehenden Verteidigungshandlungen, stets die mildeste gewählt werden muss. Jedenfalls soweit sie gleich effektiv ist. Davon ausgehend ist etwa der Glaswurf im oben geschilderten Fall zulässig gewesen. In einem vom Landgericht Bonn zu entscheidenden Fall wurde zudem der Schlag ins Gesicht mit der flachen Hand als erforderlich zur Beendigung einer Rauchattacke angesehen (Landgericht Bonn, Urteil vom 09.12.2011, Az. 25 Ns 555 Js 131/09 – 148/11). In dem Fall blies eine Person im Rahmen eines Polizeieinsatzes einem Polizeibeamten mit Spucke versetzten Zigarettenqualm ins Gesicht.
In diesem Zusammenhang verweisen sowohl das Amtsgericht Erfurt als auch das Landgericht Bonn darauf, dass das Opfer eines Rauchangriffs nicht demütig zurückweichen muss. Zudem hielt das Landgericht das Zuhalten des Mundes angesichts einer Beißgefahr für nicht gleich effektiv zur Beendigung des Angriffs. Des Weiteren stelle ein Zurückstoßen des Angreifers wegen der damit verbundenen Gefahr eines Sturzes und möglicher Kopfverletzungen kein milderes Mittel dar.
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